Tuesday, December 22, 2015

Buchrezension: "Vater Mutter Staat" von Rainer Stadler

Das Thema ist leider ein ziemlich heisses Eisen. Kinderbetreuung. Oder, wie es Rainer Stadler formuliert: „Betreuungspropaganda“. Der Untertitel seines Buches deshalb auch: Das Märchen vom Segen der Ganztagsbetreuung – Wie Politik und Wirtschaft die Familie zerstören.
Diese Rezension ist, eher unüblich, mehr eine (Achtung!) laaaange Folge an Zitaten aus dem Buch. Ich fand vieles so wichtig und habe mir allerhand angestrichen und gebe das hier auch relativ ungefiltert wieder. Ihr habt somit einen guten Überblick darüber, was Euch beim Lesen erwartet. Urteilen müsst Ihr selber, meine Meinung werdet ihr aber spüren. Eine Bitte aber: bevor Ihr kommentiert, lest den ganzen Text. Danke!
Ich habe mich schon des Öfteren mit meiner Einstellung weit zum Fenster herausgelehnt. Weil ich der Meinung bin, dass ein Baby/Kleinkind nicht mehrheitlich fremdbetreut werden sollte, sondern in der Familie u/o bei einer Betreuungsperson, die nicht ständig wechselt. Manche Mutter, die nach der Geburt bald wieder zurück in den Beruf wollte oder musste, fühlte sich dadurch angegriffen. Darum geht es jedoch nicht, sondern um die Politik/den Staat (im Buch ist im Besonderen der deutsche Staat gemeint), der frischgebackene Eltern schon fast dazu zwingt, das Kind in die Fremdbetreuung zu geben, um möglichst rasch wieder Dienst in der Wirtschaft zu leisten. Die Bedürfnisse der Kinder sind dabei nicht relevant. Gut ausgebildete Mütter (und Väter), die ihre Zeit mit „Elternzeit“ verplempern, sind vergeudetes Humankapital. Es wird alles unternommen, um den „Störfaktor“ Kind „outzusourcen“ und die Müttererwerbsquote zu steigern. Das ist die Kernaussage des vorliegenden Buches und es sollte uns alle anregen, darüber nachzudenken. Kinder sind die Zukunft, heisst es immer. Kinder sind heute in aller Regel Wunschkinder. Es werden weniger Kinder geboren, die aber sind im höchsten Grade erwünscht. Wer heute Kinder bekommt, der bekommt sie nicht als Anlage für die Rentenzeit, sondern um mit ihnen Zeit zu verbringen, sie aufwachsen zu sehen. Aber nicht jeder unterstützt das. In der Schweiz muss eine Mutter 16 Wochen nach der Geburt wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren, wenn sie das denn beabsichtigt hat. 16 Wochen! (In der USA sogar nur 12) Das ist nicht einmal die Dauer der von der WHO empfohlenen Vollstillzeit (rund 6 Monate oder länger). Mit ein Grund, weshalb der Umsatz mit Milchpumpen weltweit bei einer halben Milliarde Euro liegt, Tendenz leicht steigend. Männer erhalten übrigens kaum mehr als 1-2 läppische Tage Urlaub nach der Geburt ihres Kindes.
Deutschland schlägt in dieselbe Kerbe. Stadler zitiert einen „Wirtschaftsweisen“ wie folgt: „Einer Entwertung von Humankapital aufgrund der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit kann entgegengewirkt werden, wenn diese Unterbrechung möglichst kurz gehalten wird.“
In Deutschland wird für jedes Kind ein Krippenplatz garantiert, ohne zu fragen, ob die Eltern den überhaupt in Anspruch nehmen wollen. Und die Qualität sei dahingestellt, wenn es vor allem um Quantität geht…
Es ist nichts daran auszusetzen, dass Eltern, Mutter wie Vater, nach der Geburt ihre Erwerbstätigkeit fortsetzen. Im Gegenteil, es ist natürlich nötig. Die Frage ist nur, wann und wieviel? Die ersten drei Lebensjahre sind prägend für ein Kind und es ist für sein Urvertrauen und seine seelische Konstitution wichtig, dass es in diesen Jahren einen Grossteil seiner Zeit in einem familiären und konstanten Umfeld verbringt. Das heisst nicht zwingend, dass die Mutter zuhause bleiben muss! Jede Familie wird hier individuelle Lösungen finden und immer mehr sind die Arbeitgeber hier gefragt, auch Männern mehr Teilzeitstellen anzubieten, denn die Väter wollen zunehmend eine Rolle im Leben ihrer Kinder spielen und nicht nur „Feierabendpapa“ sein.
Stadler: „Längst müssten sich auch die Männer fragen, ob sich ihre Karriere noch mit der Familie vereinbaren lässt, gerade wenn ihre Frauen ins Berufsfeld drängen.“ Womöglich wäre ein Modell, das Teilzeitarbeit mütter- und väterlicherseits vorsieht, viel weiter verbreitet, wenn Frauen nicht „flächendeckend schlechter bezahlt würden als Männer.“ Wenn die Politik wirklich einen ernsthaften Beitrag zur Vereinbarkeit leisten wolle, müsse sie die Bedingungen für eine Arbeitswelt schaffen, die es beiden Elternteilen ermöglicht und sie auch ermuntert, weniger zu arbeiten und die Kindererziehung untereinander aufzuteilen. Davon allerdings sei die moderne 24h/7-Tage-Ökonomie Lichtjahre entfernt.
Statt „familienfreundliche Arbeitsplätze“ zu schaffen – und zwar nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer, damit auch sie länger bei ihren Kindern bleiben können –, übt die Wirtschaft einseitig Druck auf die Frauen aus. Frauen, die berufliche Ambitionen haben, sind damit explizit aufgefordert, das Hindernis Kind zu beseitigen und an den Arbeitsplatz zurückzukehren“, so Stadler. Dabei müsste eine „Politik, die sich als familienfreundlich bezeichnet, alles tun, um Frauen den beruflichen Wiedereinstieg zu einem Zeitpunkt zu ermöglichen, den sie nach den Bedürfnissen der Familie wählt – und nicht, wenn ihn die Wirtschaft wünscht.“
Und auch: „Die moderne Arbeitswelt fordert den möglichst uneingeschränkt mobilen und verfügbaren Menschen, (…) idealerweise ohne familiäre Bindung. Unterm Strich ziehen also Eltern immer den Kürzeren.“
Das sogenannte „kapitalistische Modell“ sehe einen Menschen vor, der sich durch grösstmöglichen Konsum und grenzenlosen Einsatz in der Arbeit selbst verwirkliche. Familie dagegen bedeute Verzicht und gegenseitige Rücksichtnahme, Treue und Verlässlichkeit und stelle damit eine Gegenwelt dar zu totaler Selbstständigkeit, gegenseitiger Unabhängigkeit und bedingungsloser Selbstverwirklichung – dem Ideal westlicher, marktliberaler Gesellschaften.
Was für mich ein No go ist, sind ein Vater und eine Mutter, die beide zu je 100% arbeiten und das Kind derweil in der Kita betreuen lassen. Da stellt sich mir dann einfach die Frage, warum man Eltern werden wollte. Im Alter von vier Jahren tritt (zumindest in der Schweiz) die Schulpflicht ein und das Kind verbringt schon einen grossen Teil seiner Zeit im Kindergarten. Ungefragt.
Und ich will die Kita keineswegs generell schlecht machen, denn auch meine Kinder haben jeweils zwei Halbtage in der Kita verbracht. Die Kleine ab 8 Monaten. Und obwohl ich mehr als zufrieden mit „unserer“ Kita und den Betreuerinnen hier bin, glaube ich nicht, dass eine Kita für ein Baby/Kleinkind eine adäquate Einrichtung für eine Vollzeitbetreuung ist, also während 5 Tagen die Woche 8 Stunden täglich. So sieht es auch Rainer Stadler: Es gibt kaum Rückzugsmöglichkeiten (Reizüberflutung), wechselnde Betreuerinnen, die den Aufbau einer verlässlichen Bindung verhindern, ein durchstrukturiertes Programm, das nur wenig Freiraum lässt (Anm. von mir: das kommt wohl auf die Art der Kita an); ein Zusammensein mit Kindern, die man sich nicht aussuchen kann (Experten sagen, dass zwischen Kindern einer Krippengruppe kaum nennenswerte Beziehungen entstehen). Die meisten Forscher halten übrigens einen Aufenthalt von maximal vier Stunden pro Tag für unbedenklich.
Eine intakte Bindung aber ist die Basis für eine funktionierende Bildung und alle sozialen Kompetenzen. Gerade in unserer Leistungsgesellschaft brauchen Kinder ein sicheres Fundament. Soziale und emotionale Defizite sind leider an der Tagesordnung, wenn Kinder zu früh und zu häufig (viele Stunden täglich) fremd betreut werden. Diese Kinder sind häufiger krank und später oft aggressiver und widerspenstiger – eine Folge der erheblichen und chronischen Stressbelastung. Es gibt Kinder, für die passt es, aber für die Mehrheit eben nicht. Ein Viertel der Kinder, die schon früh ganztags betreut wurden, zeigten laut einer Studie im Alter von vier Jahren „ein Problemverhalten, das dem klinischen Risikobereich zugeordnet werden muss“. Und in der DDR galt bei Psychotherapeuten laut Stadler Krippenerziehung schon fast als Diagnose.
Übrigens brauchen laut Stadler nicht nur die Kinder die Nähe zu den Eltern, das Bedürfnis besteht auch umgekehrt. Die Trennung der Eltern von ihren Kindern führe leider dazu, die Kompetenz zu verlieren, die eigenen Kinder zu behüten und grosszuziehen. So bestätige z.B. eine Studie, dass die Harmonie der Mutter-Kind-Interaktion in dem Mass abnimmt, wie das Kind ausserhalb der Familie betreut wird. Und von der Nähe zum Kind profitieren nicht zuletzt auch die Väter.
Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, so erinnere ich mich an eine freie Kindheit. Ich durfte zuhause sein, dort, wo es für mich am schönsten war. Meine Mutter war immer da (es hätte auch der Papa sein können). Auch als ich zur Schule kam, war ich frei. Ich streunte oft durch die Gegend, allein oder mit Freunden, im Wald, auf dem Schulhof, durch die Wiesen, im Garten. Wenn wir Hunger hatten, liefen wir nach Hause und fragten nach einem Zvieri. Hatten wir keine Lust mehr, draussen rumzurennen, zogen wir uns auf’s Zimmer zurück. Und um 18 Uhr wurden wir zum Essen gerufen. Einen Hort gab es da noch nicht, in dem die Schulkinder „verwahrt“ wurden. Unser Leben spielte sich draussen ab, ohne Aufsicht. Und ich habe nur die besten Erinnerungen daran. Woran werden sich die Kinder erinnern, die ganztägig unter Aufsicht sind? Gut betreut, aber relativ unfrei. Sollte die ideale Kindheit nicht darin bestehen, selbstbestimmt seine Freizeit zu verbringen? (und das ganze Förderprogramm und die vielen Sport- und Musikkurse sind wieder ein anderes Thema…)
Leider hat die heutige Entwicklung auch auf das Bewusstsein der Gesellschaft einen negativen Effekt: die Kinder verschwinden aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit (hinter die Zäune und Mauern der Krippen, Horte und Ganztagesschulen etc.). Folglich schrumpfe die Toleranz der Erwachsenen, insbesondere der Kinderlosen. Das Gefühl für die Bedürfnisse und Wünsche der Kinder geht verloren.
Das afrikanische Dorf, das so oft zitiert wird, es existiere hier nicht. „Die meisten Bewohner haben sich von den Kindern abgewandt, und die wenigen, die sich um den Nachwuchs kümmern, stehen in der Dorfhierarchie ziemlich weit unten.“
„Familienpolitik dient vor allem dazu, den Sozialhaushalt zu entlasten, ausreichend Nachschub für den Arbeitsmarkt zu produzieren und mehr Steuereinnahmen zu generieren. Die Interessen und Wünsche der Familien? (…) Höchstens Nebensache“, schreibt Rainer Stadler. Und zitiert die deutsche Regierung, wie sie 2005 folgendes festhielt: „Kinder dürfen nicht länger ein Hindernis für Beruf und Karriere sein.“ Hoppla! Die Zukunft des Landes, ein Hindernis? Laut Stadler geht es darum, die produktiven Kräfte der Gesellschaft von ihren sonstigen Verpflichtungen zu befreien. So wurde die Pflege und Betreuung der Alten bereits aus vielen Familien ausgelagert. Und jetzt ist der Nachwuchs an der Reihe… und nicht nur das. Der Staat masse sich auch an, der bessere Erzieher zu sein. Sollten wir Eltern uns das gefallen lassen? Ursula von der Leyen wird wie folgt zitiert: „Ein Kind braucht mehr Anregungen und Impulse, als die Mutter allein ihm geben kann.“ Das ist nicht nur anmassend, das widerspricht auch der Wissenschaft, die feststellt, dass ein Kind in den ersten vier Lebensjahren von seinen Eltern mehr lernt als in der gesamten Schulzeit(!).
Stadler dazu auch: „Eltern sind und bleiben unersetzlich für ihre Kinder. Sie sind die einzigen Menschen, die von der Natur mit der Fähigkeit ausgestattet wurden, ihr Kind ohne Wenn und Aber zu lieben. Das ist der fundamentale Unterschied zu jeder noch so qualitativ hochwertigen Betreuung oder Förderung. Diese einmalige Beziehung lässt sich nicht auslagern. Sie muss immer wieder erneuert werden und das braucht Zeit. Emotionale Nähe lässt sich nicht spontan oder unter Zeitdruck herstellen und schlicht organisieren, sondern setzt gemeinsame Erfahrungszusammenhänge voraus. Eltern sollten sich diese Aufgabe nicht leichtfertig abnehmen lassen. Und wenn sie sich dennoch dazu entschliessen, sollten sie zumindest die Risiken nennen.“ Doppelverdiener-Eltern hätten „längst verlernt, mit den Kindern spontan etwas zu unternehmen, ohne dass es gleich zu viel kosten müsste“. Am Wochenende wolle „alles kompensiert und wieder gut gemacht“ werden. Quality Time – ein „Schwachsinn“. „Familie lässt sich nicht in jene Lücken pressen, die die Erwerbsarbeit noch nicht besetzt hat“.
Übrigens seien Kinder sehr wohl fähig, auch zu Grosseltern tragbare Bindungen zu entwickeln, auch Tagesmütter oder Krippenerzieherinnen könnten vorübergehend das Bedürfnis nach emotionaler Nähe befriedigen. Das erfordere jedoch die konstante Anwesenheit einer Person, die sich höchstens noch um ein oder zwei andere Kinder kümmert. In der Praxis sieht das leider oft anders aus.
„Arbeitszwang statt Wahlfreiheit“ heisst es bei Stadler. Und er zeigt auf, warum Eltern zunehmend gezwungen sind, zu arbeiten. „Noch vor wenigen Jahrzehnten verdiente ein Fabrikarbeiter genug, um die ganze Familie zu versorgen – das ist heute selbst in den meisten Akademikerhaushalten eine Utopie. Tiefere Löhne – eine Folge der Globalisierung.“ Wahlfreiheit existiere auch bei Alleinerziehenden nicht mehr. Lange Zeit hätten diese von Sozialhilfe leben können. Seit der Einführung der Hartz-Gesetze sind Alleinerziehende verpflichtet, spätestens zum dritten Geburtstag ihres Kindes wieder zu arbeiten.
Ein Wort zum Feminismus. Laut Stadler werden neuerdings die Frauen kapitalisiert, während die Männer sich nicht ändern müssen. Eine Frau gelte nur als emanzipiert, wenn sie ihr eigenes Geld verdiene. Der Druck steigt. Denn oft bleiben Kinder, Haushalt etc. nach wie vor ebenfalls an der Frau hängen. Merkel sagte dazu einmal: „Die, die gesagt haben, dass Gleichberechtigung Erwerbstätigkeit bedeutet, haben kaum oder gar nicht darüber nachgedacht, was aus all den Tätigkeiten werden soll, denen die Frauen früher nachgegangen sind.“ Stadler schreibt, dass von den meisten Feministinnen leider kein Protest dagegen komme, dass die Arbeit der Frauen zu Hause und für ihre Familie nicht ansatzweise honoriert wird. „Statt die immensen Leistungen (…) endlich finanziell anzuerkennen, wird diesen vermittelt, dass sie ihre ökonomische Unabhängigkeit durch eine Erwerbstätigkeit ausser Haus sicherzustellen hätten“, bemängelt die Juristin Eva Schumann. Dem Staat sei die Betreuung seines Nachwuchses zwar Geld wert, aber nur, solange diese nicht durch die Eltern selbst erfolge, meint Stadler. „Die Eltern sind für den Arbeitsmarkt zu wertvoll, als dass ihre Ressourcen für die Betreuung der eigenen Kinder verschwendet werden könnten.“ Eine „spürbare, finanzielle Anerkennung der Arbeit, die insbesondere Mütter im Haushalt und bei der Erziehung ihrer Kinder leisten“, fehlt leider.
„Dass ihnen die Kindererziehung nicht allein aufgebürdet werden soll, werden sicher viele Frauen unterschreiben. Aber warum die Eltern deshalb ihre Kinder nur noch vom Kollektiv versorgen lassen sollten, ist weniger nachvollziehbar.“
Zudem suggeriere der Staat den Eltern, die Einheitslösung Krippe sei für jedes Kind das Beste. Auch der Arbeitgeber macht oft Druck, eine individuelle Eingewöhnung, die länger dauern kann, wird nicht selten verunmöglicht.
Wie gross der Einfluss der Politik ist, zeige sich auch darin, dass fast ausschliesslich die positiven Auswirkungen der Fremdbetreuung gewürdigt werden (z.B. in den Medien), während die negativen Effekte am Ende einer Meldung versteckt würden.
Auch das Thema Schule kommt bei Rainer Stadler auf den Tisch. Die Schule wird als „nicht besonders effizient“ bezeichnet. Sie überfrachte Kinder mit „abstraktem und totem Wissen“. Das Lernen mit Büchern wird als unnatürlich bezeichnet, die Institution Schule sei nicht kindgerecht. Es werden Beispiele aufgezeigt von Kindern, die nie eine Schule besucht haben und trotzdem fähig waren, einen Beruf zu erlernen. Das Thema Home- oder Unschooling/Freilerner ist aktueller denn je, kein Wunder also, dass es auch Stadler behandelt. Er führt auch auf, wie viele Adoleszente regelmässig unter psychosomatischen Beschwerden und depressiven Verstimmungen leiden. Kein Wunder bei dem Pensum, dass sie in der Schule absitzen müssen. Er kritisiert auch die Tendenz, das Abitur als Mass aller Dinge für möglichst viele Schüler einfordern zu wollen währenddessen die duale Berufsbildung, „seit jeher eine der grossen Stärken Deutschlands im internationalen Wettbewerb“ als geringer eingeschätzt werde.
Laut Stadler sind „seit geraumer Zeit Lehrer in Kindergärten unterwegs, um die Schulfähigkeit von Vier- und Fünfjährigen zu testen.“ Gleichzeitig sollen die Schüler „länger und mehr lernen“. Stadler: „Früher, länger mehr – eigentlich ein ziemlich massloser Anspruch für eine Institution mit einer so mittelmässigen Bilanz“. Dennoch will er sich von einer Pauschalkritik an der Schule distanzieren und nimmt die Lehrer in Schutz, da auch sie nur die Leidtragenden sind, die dem gewaltigen Druck von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft standhalten müssen.
Die Ganztagesschule, die von vielen gefordert wird, bezeichnet Stadler als Zumutung. Argument dagegen ist z.B., dass es für die Kinder anstrengend sein müsse, den ganzen Tag mit anderen zusammen zu sein, sogar beim Essen und beim Hausaufgaben machen. Bei ständiger Beschäftigung würden die Kinder zudem verlernen, sich selber zu beschäftigen. Die Freiheit wird eingeschränkt, die Kinder sind fremdbestimmt. Die „Ausdehnung der Zwangssituation Schule“ gehe „auf Kosten ihrer persönlichen Hobbies und Vorlieben, sowie von Tätigkeiten, die in keinem Lehrplan vorkommen, aber für das spätere Leben nicht weniger wertvoll“ seien.
Und zum Schluss noch ein kleines Fazit…
„Ob Eltern ihre Kinder zur Krippe schicken (und v.a. wie oft/lang), ist am Ende ihre Entscheidung. Aber ich will, dass sie alle nötigen Informationen zur Hand haben, um verantwortlich entscheiden zu können. (…) Die Eltern kennen ihr Kind selbst am besten. Und deshalb sollten auch sie entscheiden – nicht ihr Arbeitgeber, das Familienministerium, die Nachbarn, die Grosseltern oder eine wie auch immer geartete öffentliche Meinung.“
…und die Andeutung eines Zukunftsszenarios: „Es stellt sich die Frage, was die heutigen Kinder später einer Gesellschaft zurückgeben werden, die sie von ihren Eltern trennt, weil es wirtschaftlich opportun erscheint (…), wie viel Zeit sie noch bereit sind, für ihre Familien zu opfern, die für sie genau diese Zeit nicht opfern wollten oder konnten. Letztlich steht also der soziale Zusammenhalt auf dem Spiel.“

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